Arranging Contradictions

Exhibition Catalogue, Munich Architecture Gallery

Adolf Krischanitz zur Ausstellungseröffnung

Architekten liefern ebenso wie Künstler nicht ein Werk, das sich in die Welt einordnet, sie liefern eine Ordnung für die Welt. Die Welt stellt sich in ihrer permanenten Verfasstheit als Grundlage für jene Differenz dar, innerhalb der sich das Werk zeigen kann. Die Wahrnehmung ist als Resultierende einer dynamischen Aufmerksamkeit das Produkt einer ins richtige Wirkungsverhältnis gesetzten Paarung von Redundanz und Varietät.

Das Phänomen der Gleichzeitigkeit von Wiedererkennung und Überraschung führt über die Differenz zum reflexiven Austausch zwischen Erwartung und Neuem. Das Werk setzt der realen Welt die eigene Überpräsenz entgegen und teilt sie damit in oppositionelle Realitätssphären. Erst die Konstruktion einer realen versus einer hyperrealen Welt zeigt jene Differenz, die ein vorher und ein nachher, ein richtig und ein falsch als Unterscheidungsform erzeugt.

Kunst und Architektur sind also nach wie vor nicht Ordnungsverzicht. Wenn wir hier diese Ausstellung sehen, ist dies ein Spiel von Veränderung und Kontinuität, Intro- und Extrospektion, Kunst- und Alltagssprache. Es geht also um das Herausarbeiten einer bestimmten Sichtweise, um spezifische Antworten zu finden: „Vom Unspezifischen, Normalen, nichts weiter Erzielenden gibt es eigentlich genug“, sagen die beiden Architekten.

Ich möchte nun zu einem weiteren Aspekt der Architektur von Piet und Wim einige Gedanken äußern: nämlich das architektonische Modell. Sie sagen: „Wir setzen Modelle in unterschiedlichen Phasen ein. Prinzipiell sind sie sowohl ein Mittel zur Abstraktion als auch zur Referenzbildung, sie machen eine bestimmte Wesenheit für uns sichtbar. Modelle brauchen dabei weder ‚wahr‘ zu sein noch als ein direktes Abbild der Realität zu dienen. Außerdem liefern sie uns im weiteren Entwurfsprozess Hinweise, um bestimmte Ausführungsmodi zu priorisieren, sie also in ihrer Wesenheit kenntlich zu machen.“ Das Modell als Arbeitsgrundlage erlaubt neben der sprachlichen Kommunikation eine konkrete Alternative, um mit konzeptionellen architektonischen Ansätzen in einem „vorsprachlichen“ Raum zu agieren.

Dieser der Architektur vorauseilende Aktionsraum ist noch ohne Analogien und Anleihen, also wirkungsneutral – und hat als architektonischer Parallelraum in der Regel nicht direkt etwas mit dem realen oder im Entstehen begriffenen Raum tun. Er ist das diskrete Vorzimmer zur Architektur, in dem konkrete entwerferische Entscheidungen fallen. Er ist der Raum der Vorversuche und Spielräume, also der eigentliche architektonische Handlungsraum. Hier liegt das größte Potential an Entwicklungsschritten für die eigentlichen Entwurfsentscheidungen, aber auch ein größtmögliches Repertoire an Austausch- und Vermittlungsvarianten.

In der Arbeit vom Piet und Wim Eckert ist der Prozess der Erstellung dieser Arbeitsmodelle die eigentliche Handlungsstätte ihres entwerferischen Ansatzes und wird durch die Möglichkeit eines werkdidaktischen Kommentars an dieser Stelle zum Erkenntnisfeld jedes Ihrer architektonischen Zugriffe. Ihre Suche nach dem Raum ist also einerseits eine Befreiung von Überflüssigem, andererseits eine unentwegte Suche nach (neuen) konkreten architektonischen Absichten, die schließlich räumliche Ordnungskompetenz erzeugen.

Nicht zuletzt dadurch sind in den Arbeiten Theorie und Praxis sowohl kongruent als auch weiterführend different: Jede Lösungsfindung zeigt mehr als sich selbst in Form einer eingeschlagenen Richtung oder einer weiterführenden Tendenz. Die sorgfältige Auswahl der generierenden Mittel und der furchtlose Umgang damit weist auf ein unverbrauchtes Verständnis im Wechselspiel zwischen Entwurfsprozess, architektonischem Werk und dessen Rezeption hin.

Die gewählten Mittel bestimmen projektiv nicht nur das Ergebnis, sondern sind als permanente Rückvergewisserung auch gleichsam eine konkrete Reflexion ihres Tuns und in dieser Phase unmittelbarer Hauptträger des Entwurfsprozesses. Die großmaßstäblichen Modelle sind in ihrer architektonischen – und auch in ihrer Vermittlungsarbeit – das zentrale Medium und dienen als eigenständige Zwischenwelten ohne Verfallsdatum. Sie sind schnell herstellbar, ermöglichen die Inkorporierung räumlicher Konzepte und dienen als Anschauungs- und Entwicklungsapparate. Im Gegensatz zu computergenerierten renderings sind sie körpernahe, raumsinnliche bricollages, die nicht das ultimative und unveränderliche Finish vermitteln: Sie sind dem letztlich gebauten Objekt so nahe und auch so fern, dass sie ungezwungen zwischen Erzeugung und Vermittlung eines Entwurfsvorgangs oszillieren.

Diese Arbeitsweise bietet die Offenheit eines prozessnahen Ablaufs, der gleichsam didaktisch wie auch selbstreferenziell ein enormes Einstiegspotential sowohl für die beiden Architekten selbst als auch für den außenstehenden Rezipienten erlaubt.

Der Modellbau als wesentliches Entwurfswerkzeug steht hier paradigmatisch für einen außergewöhnlich definierten Umgang innerhalb eines architekturimmanenten Prozesses. Einhergehend damit wird eine mittelbare sinnlich-praktische Außenseite mitgeführt. Es wird also in ständiger Entwicklung von klar definierten Voraussetzungen mit präzisen Werkzeugen ein grammatikalisches Feld bestellt, dessen Ziel die Schaffung des architektonischen Raums ist.

Adolf Krischanitz